Was ist das Gesetz der Reziprozität?

Vladislav Melnik
von Vladislav Melnik
Was ist das Gesetz der Reziprozität?

Stelle dir vor es ist Weihnachten.

Und du verschickst einen Stapel Weihnachtskarten. An komplett fremde Leute. 

Was würde wohl passieren? Wie viele Weihnachtskarten würdest du wohl zurückbekommen?

Gar keine? Ein, zwei oder vielleicht drei? Vielleicht auch eine Handvoll?

Unwahrscheinlich

Du würdest eine ganze Menge zurückbekommen. Wahrscheinlich fast so viele, wie du verschickt hast.

Genau diesen Versuch hat ein Universitätsprofessor unternommen, den er im Jahre 1976 in „Social Science Research“ veröffentlicht hatte. Er dachte auch, dass er nur einige Karten zurückbekommt.

Aber er war selbst über das Ergebnis erstaunt.

Er bekam reichlich Weihnachtskarten und Glückwünsche von Menschen zurück, die er überhaupt nicht kannte.

Es scheint fast so, als würden die Empfänger die Glückwünsche erhalten. Click … Boom … Bang. Und fast automatisch eine Karte zurückschicken.

Genau das ist das Gesetz der Reziprozität.

Was ist Reziprozität?

Reziprozität ist ein menschliches Grundprinzip und bedeutet Gegenseitigkeit. Ganz nach dem Motto:

Wie du mir, so ich dir.

Wenn ich dir einen gefallen tue, tust du mir auch einen. Wenn ich dir eine Weihnachtskarte schicke, schickst du mir auch eine. Wie du mir, so ich dir eben.

Kannst du dich vielleicht noch das letzte Mal erinnern, als du im Supermarkt Probierhäppchen abgegriffen hast? Wie hast du dich danach gefühlt?

Vielleicht hattest du das Gefühl, dass du der netten Dame oder dem netten Herren jetzt etwas schuldest. Und vielleicht hast du auch eine Packung von dem Käse mitgenommen. Auch wenn du ihn vielleicht nicht wirklich mochtest.

Du hattest ein Gefühl der Schuld. Sie hat etwas für dich gemacht. Jetzt musst du etwas für sie tun.

Und dieses Gesetz ist so stark in unserer Kultur und unserer DNA verankert, dass wir fast nichts dagegen machen können.

Die Regel besagt also, wenn wir etwas bekommen, müssen wir es in ähnlicher Weise versuchen wieder zurückzugeben.

Ein gutes Beispiel für die Benutzung dieses Geseztes sind die Anhänger der Hare-Krishna-Bewegung. Eine religiöse Gruppierung.

Die kreativen Krishnas

Die oft kahlrasierten Anhänger bettelten auf den Straßen der USA um Spenden für ihre Bewegung.

Doch die amerikanische Gesellschaft fand sie irgendwie merkwürdig. Und spendete nicht sonderlich viel.

Doch dann kamen die Krishnas auf eine brillante Idee.

Sie änderten das negative Gefühl der Passanten in etwas Positives. Ihre neue Strategie sah also wie folgt aus:

Wir stellen uns an stark frequentierte Orten wie Flughäfen. Aber bevor wir nach einer Spende fragen, geben wir dem Passanten ein kleines Geschenk. Ein Büchlein oder ein Magazin unserer Gruppierung. Oder – die günstigste Lösung – eine Blume.

Wenn jetzt ein Passant, wie z.B. ein gut gekleideter Geschäftsmann vorbeiläuft und eine nette Krishna-Dame ihm eine Blume reicht oder sie direkt an das Sakko ansteckt, was dann?

Auch wenn der Geschäftsmann das Geschenk nicht haben möchte. Erwidert die Krishna-Dame einfach: „Nein, nein. Das ist ein Geschenk“.

Nachdem dieser dann das Geschenk letztlich annimmt, fragt die nette Dame nach einer Spende. Und ziemlich oft kriegt sie die auch.

Die Krishnas haben das Gesetz der Gegenseitigkeit erkannt und nutzen es. Diese Erst-das-Geschenk-dann-die-Spende-Strategie war sehr erfolgreich und hat stark zum Wachstum dieser Bewegung beigetragen.

Aber lass mich dir noch eine andere, viel rührendere Geschichte erzählen.

Der Soldat, der nicht konnte

Der österreichische Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt berichtet von einem deutschen Soldaten im ersten Weltkrieg. Dieser hatte den Job, gegnerische Soldaten „einzufangen“ und danach zu befragen.

Er hatte eine Mission erfolgreich beendet und wurde jetzt auf eine weitere Mission geschickt.

Wieder spähte er die feindlichen Linien aus und fand dann auch schon einen unbewaffneten gegnerischen Soldaten, der gerade am Essen war.

Der erschrockene Soldat, nur mit einem Brot bewaffnet, sah den deutschen Soldaten mit verdutzen Augen an … und machte die wohl wichtigste Geste seines Lebens:

Er reichte ihm ein Stück seines Brotes.

Gerührt von dieser Geste war der deutsche Soldat völlig perplex und konnte seine Mission nicht ausführen. Und er ging von dannen.

Hier noch ein drittes Beispiel, das dem Thema Inbound Marketing sehr nahe kommt.

Joe und seine Cola

Professor Denis Regan von der Cornell University führte einmal ein Experiment durch. Hier fanden sich zwei Teilnehmer und ein Leiter in einem Raum und mussten die Qualität von Bildern und Gemälden beurteilen.

Einer der Teilnehmer war jedoch kein wirklicher Teilnehmer. Es war Joe, ein Assistent von Professor Regan.

Das Experiment wurde nun in zwei Arten durchgeführt.

Einmal machte Joe dem Teilnehmer einen kleinen Gefallen. Nach einer kurzen Pause verließ er den Raum und kam mit zwei Colas zurück. Eine für ihn. Und eine für den Teilnehmer. Joe sagte: „Ich fragte den Leiter, ob ich eine Coke bekommen konnte. Und er sagte, es ist okay. Und hier habe ich eine für dich mitgekauft“.

Das andere Mal machte er dem Teilnehmer keinen Gefallen. Er kam einfach mit leeren Händen wieder. Ohne Coke.

In allen anderen Gesichtspunkten hat sich Joe gleich verhalten.

Nachdem das Experiment offiziell vorbei war und der Leiter das Zimmer verlassen hatte, fragte Joe den Teilnehmer nach einem Gefallen.

Er sagte: „Ich verkaufe Lotterielose für ein neues Auto. Und wenn ich die meisten Lose verkaufe, dann würde ich einen Preis in Höhe von 50€ bekommen“.

Joe bat dem Teilnehmer jetzt an, einige Lose für 25 Cent das Stück zu kaufen. „Alles würde helfen. Wie mehr, desto besser“, sagte er.

Das Ergebnis war, dass Joe am meisten Tickets verkauft hatte, als er vorher dem Teilnehmer einen Gefallen getan hat. Als er ihm eine Coke kaufte.

Genauer gesagt, verkaufte er demjenigen doppelt so viele Lose. Weil der Teilnehmer sich in Joe’s Schuld fühlte.

Was hat das mit Inbound Marketing zu tun?

Eigentlich eine ganze Menge.

In unserem Umfeld sind die Teilnehmer das Publikum. Es sind deine Interessenten und Kunden, die deinen Content Hub besuchen.

Joe, das bist du. Und die Coke, die du für deine Teilnehmer bringst, dass ist dein Content. Es sind deine Inhalte. Deine Artikel. Dein Podcast. Deine kostenlosen E-Books. All das, was du deinem Publikum kostenlos zur Verfügung stellst.

Denn wenn du so viel Zeit dafür aufwendest und hochwertigen Inhalt erstellst, dann fühlt sich dein Kunde einfach schuldig.

Du hast ihm Wert geliefert. Und jetzt muss er dir diesen Wert zurückliefern. Indem er deine Produkte kauft oder deine Dienstleistung in Anspruch nimmt.

Das besagt das Gesetz der Gegenseitigkeit.

Fazit

Egal ob nun die kreativen Krishnas, die zuerst ein kleines Geschenk geben und dann um eine Spende bitten.

Oder der deutsche Soldat, der so gerührt war von der Geste seines Gegners, dass er seine Mission nicht zu Ende führen konnte.

Und auch Joe, der einem Teilnehmer einfach eine Cola mitbrachte und nachträglich mehr Lotterielose verkaufte.

Alle benutzen das Gesetz der Reziprozität

Wie du mir, so ich dir.

Und auch beim Inbound Marketing lieferst du hochwertigen, kostenlosen Inhalt. Du steckst Stunden an Arbeit und reichlich Gehirnschmalz hinein.

Und am Ende des Tages wirst du mit Umsatz vergütet. Weil dein Kunde fast schon gar nicht anders kann.

Genau aus diesem Grund ist Content Marketing so kraftvoll. Es beruht auf dem Gesetz der Reziprozität.

Vladislav Melnik
Vladislav Melnik
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31 Kommentare

ein Rentner | Warum deine Mails schlechte Öffnungsraten haben (und was du dagegen tun kannst)
[…] Achte darauf, dass sich dieses Spiel in Balance hält. Wenn dein Leser etwas gibt, solltest du dafür auch etwas geben. Ganz nach dem Gesetz der Reziprozität. […]
Magda
Magda
Ich denke endlich hab ich das Prinzip des Bloggen verstanden- komisch, dass ich da nicht früher darauf gekommen bin. Denn mein Thema ist ja Netzwerken - wie man Kontakte knüpft und pflegt persönlich und nicht online. Doch es ist hier wie dort dasselbe - Zuerst Geben und dann nochmals Geben und dann kommt das Empfangen :-) oder halt die Reziprozität beachten. Vielen Dank für den Impuls
33 Fragen zum Kennenlernen - Werde nie wieder sprachlos beim Date + 3 Regeln - Flirten lernen
[…] Heißt: Du stellst die Frage und bevor dein Date die Frage beantwortet, fängst du an sie selber zu beantworten. Das ist das “You Go First”-Prinzip. Oder auch das Gesetz der Reziprozität. […]
5 fundamentale Fehler, die deutschen Bloggern den Erfolg kosten
[…] Dieses soziale Prinzip ist fest in unserer DNA verankert. Man nennt das auch das Gesetz der Reziprozität. […]
terweb
terweb
Ich kenne dieses Gesetz, im Unterbewusstsein, aber ich musste erst mit der Nase darauf gestoßen werden, um das in mein Bewusstsein hinein zu bekommen. Es gibt diese Verhaltensregel schon seit der Geburt Christi: " gibst Du mir etwas so gebe ich Dir etwas". Nur leider haben das die Menschen vergessen oder verdrängt! Es ist so: Egoismus entsteht, wenn das Geben oder die Gabe nur noch den Eigenantrieb bestimmt.
Vladislav Melnik
Vladislav Melnik
Hey,

ja, ich kenne das selber. Oft übersieht man einfach die offensichtlichsten Sachen. Ah, ja, stimmt, das steht sogar in der Bibel.

Das Leben ist ein Geben und Nehmen. Das stimmt.
5 Gründe, warum deine Blogleser dich nicht mögen – affenblog
[…] aller erst werden Spiele gespielt, wo jeder gewinnt. Hier greift also das Gesetz der Reziprozität. Danach beschreiben die Damen die Vorteile und den Nutzen ihrer gekauften Artikel. Sie gehen also […]
Daniel Nowottki
Daniel Nowottki
Ja, schönen Dank, mein Hinterdörfler! Klar, im Grunde hast Du ja vielleicht Recht mit Deinem Gedankengang, aber:
Ich wohne in Berlin!
Hier läuft das etwas anders:
Du fährst mit dem Auto durch die Stadt, mußt an einer roten Ampel halten.
Sofort kommen einige Leute, die Deine Scheibe reinigen wollen.
Willst Du aber gar nicht, denn die ist sauber.
Interessiert die Leute aber nicht, obwohl Du nicht willst, daß die Dein Auto anfassen, machen sie sich darüber her!
Dann wird es grün, und der Mensch mit dem Klingelbecher kommt.
Und wenn Du jetzt keinen Euro reinwirfst, dann steht schon einer hinter Deinem Auto und tritt Dir eine Delle in den Kotflügel.
Das ist eine andere Definition von "Geben und Nehmen".
Leider eine, die immer mehr Verbreitung findet in unserer Welt.
Vladislav Melnik
Vladislav Melnik
Hinterdörfler...?

Aber naja... ich habe auch in Berlin gewohnt und kenne dein Problem nur zu gut.

Das Leben hat immer 2 Seiten der Medaille... und so kann das Gesetz der Reziprozität auch für "negative Dinge" ausgenutzt werden. Die Krishnas machen das ja auch so ähnlich.
Anne
Anne
Also Leute, die "Wischjungs" stehen nicht an den Ampeln, weil ihre Millionen Euronen gerade an der Börse arbeiten und die Typen vor Langeweile nicht wissen, wie sie sich die Zeit vertreiben könne. Es ist -unhöflich ausgedrückt- eine andere Form des Bettelns. Den Betrag, den man gibt, entscheidet man doch selbst. Ich hatte immer im Mittelfach des Wagens kleiner Münzbeträge und habe nach Freundlichkeit des "Wischers", meiner Stimmung, der Wetterlage,nach Sauberkeit der Scheibe oder whatever mal Geld gegeben mal nicht. Macht Euch mal locker Jungs! Hier wird doch gerade über Geben und Nehmen geschrieben! Und ein wenig mehr geben zaubert Lächeln auf Gesichter!
Was du von Spielzeugen übers Bloggen lernen kannst – affenblog
[…] diesmal verschicken wir keine Karten. Diesmal sprechen wir über […]
Julia Gruber
Julia Gruber
Hallo Vladi, immer wenn ich wieder einmal über einen Artikel von dir stolpere (dieses Mal übrigens über 1001erfolgsgeheimnisse) kann ich nicht aufhören zu lesen, bis ich den Artikel zu Ende gelesen habe. Du schreibst einfach super! Und ich bin auch fest davon überzeugt, dass das Gesetz der Reziprozität funktioniert. Letzte Woche habe ich auch so etwas Ähnliches erlebt. Ich habe mit einer Interessentin ein kostenloses Infogespräch abgehalten. Danach wollte sie sich überlegen, ob sie mit mir zusammenarbeiten möchte. 1 Woche später rief sie mich an und sagte, dass es momentan nicht passt für sie, aber sie wollte mir das Gespräch bezahlen! Obwohl es ganz klar als kostenlos und unverbindlich deklariert war. Natürlich habe ich abgelehnt. Aber gefreut habe ich mich trotzdem. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich bei mir melden wird, falls sie je Bedarf an meiner Dienstleistung hat :-)
Vladislav Melnik
Vladislav Melnik
Hi Julia,

hehe, danke. Freue mich immer über Lob! ;)

Schönes Beispiel für das Gesetz der Reziprozität. Auch dein Kommentar betrachte ich als kleines Dankeschön für das Lesen meines Artikels :)
Stefan
Stefan
Interessanter Artikel!
Wäre aber auch sinnvoll zu erwähnen, dass ein Großteil der Informationen von Robert Cialdinis Werk "The Psychology of Persuasion" sind.

Aber auf alle Fälle sehr interessant geschrieben und leicht zu lesen!
Vladislav Melnik
Vladislav Melnik
Hi Stefan,

danke dir!

Genau, die ganze Artikelserie basiert auf Cialdinis "Influence". Denke Überzeugen ist ein wichtiges Thema für smarte Blogger.
Dimitri
Dimitri
Das Thema ist wirklich sehr Start.

Was viele unterschätzen ist, das der Wert der Rückgabe um einiges höher liegt als dein Geschenk! Über dieses Thema könnte man eine ganze Artikelserie schreiben!

Ich finde es sehr interessant wie du das in deinem Artikel erklärst ...
Vladislav Melnik
Vladislav Melnik
Hi Dimitri,

danke dir!

Wäre das nicht was für deinen Blog? :P
olli
olli
Wie immer guter Artikel, aber die Überschrift fand ich diesmal eher abschreckend.
Vladislav Melnik
Vladislav Melnik
Hi Olli,

danke dir. Warum genau?
Ben
Ben
Starkes Ding und schöne Stories! =)

Cheers!

Ben
Vladislav Melnik
Vladislav Melnik
Danke dir Ben! ;)
Norbert
Norbert
Hallo Vladislav,

danke für Deinen tollen Artikel.
Ich kannte das Gesetz der Reziprozität schon.

Aber deine Erklärungen und Beispiele sind einfach super.
Leicht zu lesen und verständlich.

Genau das habe ich jetzt gebraucht.

Viel Erfolg und weiter so...

Herzliche Grüße
Norbert Hofer
Vladislav Melnik
Vladislav Melnik
Hallo Norbert,

danke auch! Ja, das Gesetz ist bekannt. Aber ich wollte das nochmal vor allem aufs Bloggen beleuchten.

Mach ich. Du auch! ;)

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