Stelle dir vor es ist Weihnachten.
Und du verschickst einen Stapel Weihnachtskarten. An komplett fremde Leute.
Was würde wohl passieren? Wie viele Weihnachtskarten würdest du wohl zurückbekommen?
Gar keine? Ein, zwei oder vielleicht drei? Vielleicht auch eine Handvoll?
Unwahrscheinlich.
Du würdest eine ganze Menge zurückbekommen. Wahrscheinlich fast so viele, wie du verschickt hast.
Genau diesen Versuch hat ein Universitätsprofessor unternommen, den er im Jahre 1976 in „Social Science Research“ veröffentlicht hatte. Er dachte auch, dass er nur einige Karten zurückbekommt.
Aber er war selbst über das Ergebnis erstaunt.
Er bekam reichlich Weihnachtskarten und Glückwünsche von Menschen zurück, die er überhaupt nicht kannte.
Es scheint fast so, als würden die Empfänger die Glückwünsche erhalten. Click … Boom … Bang. Und fast automatisch eine Karte zurückschicken.
Genau das ist das Gesetz der Reziprozität.
Reziprozität ist ein menschliches Grundprinzip und bedeutet Gegenseitigkeit. Ganz nach dem Motto:
Wie du mir, so ich dir.
Wenn ich dir einen gefallen tue, tust du mir auch einen. Wenn ich dir eine Weihnachtskarte schicke, schickst du mir auch eine. Wie du mir, so ich dir eben.
Kannst du dich vielleicht noch das letzte Mal erinnern, als du im Supermarkt Probierhäppchen abgegriffen hast? Wie hast du dich danach gefühlt?
Vielleicht hattest du das Gefühl, dass du der netten Dame oder dem netten Herren jetzt etwas schuldest. Und vielleicht hast du auch eine Packung von dem Käse mitgenommen. Auch wenn du ihn vielleicht nicht wirklich mochtest.
Du hattest ein Gefühl der Schuld. Sie hat etwas für dich gemacht. Jetzt musst du etwas für sie tun.
Und dieses Gesetz ist so stark in unserer Kultur und unserer DNA verankert, dass wir fast nichts dagegen machen können.
Die Regel besagt also, wenn wir etwas bekommen, müssen wir es in ähnlicher Weise versuchen wieder zurückzugeben.
Ein gutes Beispiel für die Benutzung dieses Geseztes sind die Anhänger der Hare-Krishna-Bewegung. Eine religiöse Gruppierung.
Die oft kahlrasierten Anhänger bettelten auf den Straßen der USA um Spenden für ihre Bewegung.
Doch die amerikanische Gesellschaft fand sie irgendwie merkwürdig. Und spendete nicht sonderlich viel.
Doch dann kamen die Krishnas auf eine brillante Idee.
Sie änderten das negative Gefühl der Passanten in etwas Positives. Ihre neue Strategie sah also wie folgt aus:
Wir stellen uns an stark frequentierte Orten wie Flughäfen. Aber bevor wir nach einer Spende fragen, geben wir dem Passanten ein kleines Geschenk. Ein Büchlein oder ein Magazin unserer Gruppierung. Oder – die günstigste Lösung – eine Blume.
Wenn jetzt ein Passant, wie z.B. ein gut gekleideter Geschäftsmann vorbeiläuft und eine nette Krishna-Dame ihm eine Blume reicht oder sie direkt an das Sakko ansteckt, was dann?
Auch wenn der Geschäftsmann das Geschenk nicht haben möchte. Erwidert die Krishna-Dame einfach: „Nein, nein. Das ist ein Geschenk“.
Nachdem dieser dann das Geschenk letztlich annimmt, fragt die nette Dame nach einer Spende. Und ziemlich oft kriegt sie die auch.
Die Krishnas haben das Gesetz der Gegenseitigkeit erkannt und nutzen es. Diese Erst-das-Geschenk-dann-die-Spende-Strategie war sehr erfolgreich und hat stark zum Wachstum dieser Bewegung beigetragen.
Aber lass mich dir noch eine andere, viel rührendere Geschichte erzählen.
Der österreichische Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt berichtet von einem deutschen Soldaten im ersten Weltkrieg. Dieser hatte den Job, gegnerische Soldaten „einzufangen“ und danach zu befragen.
Er hatte eine Mission erfolgreich beendet und wurde jetzt auf eine weitere Mission geschickt.
Wieder spähte er die feindlichen Linien aus und fand dann auch schon einen unbewaffneten gegnerischen Soldaten, der gerade am Essen war.
Der erschrockene Soldat, nur mit einem Brot bewaffnet, sah den deutschen Soldaten mit verdutzen Augen an … und machte die wohl wichtigste Geste seines Lebens:
Er reichte ihm ein Stück seines Brotes.
Gerührt von dieser Geste war der deutsche Soldat völlig perplex und konnte seine Mission nicht ausführen. Und er ging von dannen.
Hier noch ein drittes Beispiel, das dem Thema Inbound Marketing sehr nahe kommt.
Professor Denis Regan von der Cornell University führte einmal ein Experiment durch. Hier fanden sich zwei Teilnehmer und ein Leiter in einem Raum und mussten die Qualität von Bildern und Gemälden beurteilen.
Einer der Teilnehmer war jedoch kein wirklicher Teilnehmer. Es war Joe, ein Assistent von Professor Regan.
Das Experiment wurde nun in zwei Arten durchgeführt.
Einmal machte Joe dem Teilnehmer einen kleinen Gefallen. Nach einer kurzen Pause verließ er den Raum und kam mit zwei Colas zurück. Eine für ihn. Und eine für den Teilnehmer. Joe sagte: „Ich fragte den Leiter, ob ich eine Coke bekommen konnte. Und er sagte, es ist okay. Und hier habe ich eine für dich mitgekauft“.
Das andere Mal machte er dem Teilnehmer keinen Gefallen. Er kam einfach mit leeren Händen wieder. Ohne Coke.
In allen anderen Gesichtspunkten hat sich Joe gleich verhalten.
Nachdem das Experiment offiziell vorbei war und der Leiter das Zimmer verlassen hatte, fragte Joe den Teilnehmer nach einem Gefallen.
Er sagte: „Ich verkaufe Lotterielose für ein neues Auto. Und wenn ich die meisten Lose verkaufe, dann würde ich einen Preis in Höhe von 50€ bekommen“.
Joe bat dem Teilnehmer jetzt an, einige Lose für 25 Cent das Stück zu kaufen. „Alles würde helfen. Wie mehr, desto besser“, sagte er.
Das Ergebnis war, dass Joe am meisten Tickets verkauft hatte, als er vorher dem Teilnehmer einen Gefallen getan hat. Als er ihm eine Coke kaufte.
Genauer gesagt, verkaufte er demjenigen doppelt so viele Lose. Weil der Teilnehmer sich in Joe’s Schuld fühlte.
Eigentlich eine ganze Menge.
In unserem Umfeld sind die Teilnehmer das Publikum. Es sind deine Interessenten und Kunden, die deinen Content Hub besuchen.
Joe, das bist du. Und die Coke, die du für deine Teilnehmer bringst, dass ist dein Content. Es sind deine Inhalte. Deine Artikel. Dein Podcast. Deine kostenlosen E-Books. All das, was du deinem Publikum kostenlos zur Verfügung stellst.
Denn wenn du so viel Zeit dafür aufwendest und hochwertigen Inhalt erstellst, dann fühlt sich dein Kunde einfach schuldig.
Du hast ihm Wert geliefert. Und jetzt muss er dir diesen Wert zurückliefern. Indem er deine Produkte kauft oder deine Dienstleistung in Anspruch nimmt.
Das besagt das Gesetz der Gegenseitigkeit.
Egal ob nun die kreativen Krishnas, die zuerst ein kleines Geschenk geben und dann um eine Spende bitten.
Oder der deutsche Soldat, der so gerührt war von der Geste seines Gegners, dass er seine Mission nicht zu Ende führen konnte.
Und auch Joe, der einem Teilnehmer einfach eine Cola mitbrachte und nachträglich mehr Lotterielose verkaufte.
Alle benutzen das Gesetz der Reziprozität.
Wie du mir, so ich dir.
Und auch beim Inbound Marketing lieferst du hochwertigen, kostenlosen Inhalt. Du steckst Stunden an Arbeit und reichlich Gehirnschmalz hinein.
Und am Ende des Tages wirst du mit Umsatz vergütet. Weil dein Kunde fast schon gar nicht anders kann.
Genau aus diesem Grund ist Content Marketing so kraftvoll. Es beruht auf dem Gesetz der Reziprozität.
31 Kommentare
ja, ich kenne das selber. Oft übersieht man einfach die offensichtlichsten Sachen. Ah, ja, stimmt, das steht sogar in der Bibel.
Das Leben ist ein Geben und Nehmen. Das stimmt.
Ich wohne in Berlin!
Hier läuft das etwas anders:
Du fährst mit dem Auto durch die Stadt, mußt an einer roten Ampel halten.
Sofort kommen einige Leute, die Deine Scheibe reinigen wollen.
Willst Du aber gar nicht, denn die ist sauber.
Interessiert die Leute aber nicht, obwohl Du nicht willst, daß die Dein Auto anfassen, machen sie sich darüber her!
Dann wird es grün, und der Mensch mit dem Klingelbecher kommt.
Und wenn Du jetzt keinen Euro reinwirfst, dann steht schon einer hinter Deinem Auto und tritt Dir eine Delle in den Kotflügel.
Das ist eine andere Definition von "Geben und Nehmen".
Leider eine, die immer mehr Verbreitung findet in unserer Welt.
Aber naja... ich habe auch in Berlin gewohnt und kenne dein Problem nur zu gut.
Das Leben hat immer 2 Seiten der Medaille... und so kann das Gesetz der Reziprozität auch für "negative Dinge" ausgenutzt werden. Die Krishnas machen das ja auch so ähnlich.
hehe, danke. Freue mich immer über Lob! ;)
Schönes Beispiel für das Gesetz der Reziprozität. Auch dein Kommentar betrachte ich als kleines Dankeschön für das Lesen meines Artikels :)
Wäre aber auch sinnvoll zu erwähnen, dass ein Großteil der Informationen von Robert Cialdinis Werk "The Psychology of Persuasion" sind.
Aber auf alle Fälle sehr interessant geschrieben und leicht zu lesen!
danke dir!
Genau, die ganze Artikelserie basiert auf Cialdinis "Influence". Denke Überzeugen ist ein wichtiges Thema für smarte Blogger.
Was viele unterschätzen ist, das der Wert der Rückgabe um einiges höher liegt als dein Geschenk! Über dieses Thema könnte man eine ganze Artikelserie schreiben!
Ich finde es sehr interessant wie du das in deinem Artikel erklärst ...
danke dir!
Wäre das nicht was für deinen Blog? :P
danke dir. Warum genau?
Cheers!
Ben
danke für Deinen tollen Artikel.
Ich kannte das Gesetz der Reziprozität schon.
Aber deine Erklärungen und Beispiele sind einfach super.
Leicht zu lesen und verständlich.
Genau das habe ich jetzt gebraucht.
Viel Erfolg und weiter so...
Herzliche Grüße
Norbert Hofer
danke auch! Ja, das Gesetz ist bekannt. Aber ich wollte das nochmal vor allem aufs Bloggen beleuchten.
Mach ich. Du auch! ;)
Was denkst du?